Pfälzisches OLG (Oberlandesgericht) zur Wirksamkeit einer Kopie eines Testamentes

Pressemitteilung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 17.09.2025:

„Eine Kopie ist nun mal kein Original Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat entschieden, dass die Kopie eines Testaments nicht als wirksame letztwillige Verfügung angesehen werden kann, wenn Zweifel an der wirksamen Errichtung des „Original-Testaments“ verbleiben. Die ehemalige Lebensgefährtin des Verstorbenen wollte einen Erbschein erteilt bekommen, der sie als Alleinerbin ausweist. Zur Begründung ihres Anliegens berief sie sich auf ein handschriftlich erstelltes und unterzeichnetes Testament des Verstorbenen. Allerdings lag dieses Testament lediglich als Kopie vor. Das Amtsgericht hörte zum Zustandekommen, zur Errichtung und zum Inhalt dieses Testaments zwei Zeuginnen an. Diese gaben an, dabei gewesen zu sein, als der Verstorbene das „Original-Testament“ geschrieben habe. Trotz dieser Aussagen wies das Amtsgericht den Antrag der ehemaligen Lebensgefährtin zurück und erteilte ihr keinen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies. Der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt und unter anderem ausgeführt, dass zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich das Testament im Original vorzulegen sei, auf das das Erbrecht gestützt werde. Ist das Original des Testaments jedoch ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar, könne ausnahmsweise auch eine Kopie des Testaments zum Nachweis des Erbrechts ausreichen. Hierfür gelten jedoch, so der Senat, hohe Anforderungen. Der Nachweis setze voraus, dass die Wirksamkeit des „Original-Testaments“ bewiesen werden könne. Die Errichtung, die Form und der Inhalt des Testaments müssen so sicher nachgewiesen werden, als hätte die
Urkunde dem Gericht tatsächlich im Original vorgelegen. Im konkret zu entscheidenden Fall seien auch nach Anhörung der Zeugen einige Zweifel an der Wirksamkeit des „Original-Testaments“ verblieben. Deshalb könne aus der Kopie des Testaments das Erbrecht der ehemaligen Lebensgefährtin nicht abgeleitet werden.
Dem Senat erschien es bereits ungewöhnlich, dass der Verstorbene seine Bekannten zum Essen zu sich nach Hause eingeladen habe und ohne Ankündigung und Begründung plötzlich sein Testament in deren Gegenwart errichtet habe.
Zudem hätten die Zeuginnen bereits die genauen Umstände der Testamentserrichtung unterschiedlich geschildert. Sie seien sich zwar darin einig gewesen, dass das Testament während eines gemeinsamen Abendessens vom Verstorbenen innerhalb einer halben Stunde in ihrer Anwesenheit geschrieben und laut vorgelesen worden sei. Während eine Zeugin jedoch berichtet habe, dass die ehemalige Lebensgefährtin währenddessen in der Küche gekocht habe, habe die andere Zeugin dagegen geschildert, dass die Anfertigung des Testaments erst nach dem Essen stattgefunden habe.
Weiter spreche der Inhalt des Testaments gegen die von den beiden Zeuginnen geschilderten Umstände des Zustandekommens.
Das Testament sei mehrere Seiten lang, beinhalte mehrere Begünstigte, konkrete Daten mehrerer Rentenversicherungen und verschiedene Kontonummern. In dieser Situation seien die Aussagen, dass der Verstorbene das Testament ohne Zuhilfenahme von Vertragsunterlagen oder ähnliches geschrieben habe, wenig plausibel. Schließlich habe auch keine der beiden Zeuginnen geschildert, gesehen zu haben, dass der Verstorbene das beim Abendessen errichtete Schriftstück auch eigenhändig unterschrieben habe. Dies wäre aber erforderlich, um zur Überzeugung der Errichtung eines formwirksamen Testaments gelangen zu können.
Alle diese Umstände würden dazu führen, dass der Senat nicht sicher überzeugt gewesen sei, dass das beim Abendessen verfasste Schriftstück mit der für ein Testament erforderlichen Endgültigkeit und die Rechtsverbindlichkeit vom Verstorbenen abgefasst worden sei.“

Verfahrensgang:
Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein, Beschluss vom 19. März 2024, 8a VI 301/23

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 7. August 2025, 8 W 66/24

Und zum Verfahrensablauf: Amtsgericht und dann gleich Oberlandesgericht, warum?
In Nachlaßsachen ist eine Beschwerde gegen Entscheidungen des Nachlaßgerichts (Amtsgerichts) möglich. Dafür ist nicht das -eigentlich- nächsthöhere Gericht (das Landgericht) zuständig, sondern gleich das Oberlandesgericht.

Warum ist diese Entscheidung zur Wirksamkeit -in äußersten Ausnahmefällen- einer Testamentskopie als Nachweis für den letzten Willen eines Verstorbenen so interessant?
Interessant ist schon, daß überhaupt ein Gericht darüber entscheidet, ob eine Testamens-KOPIE wirksam ist im Hinblick auf den letzten Willen eines Verstorbenen. Interessant ist letztlich aber weniger das Ergebnis als die Begründung.
Anhand der Begründung des Urteils kann man erkennen, wie der für das Urteil maßgebliche Sachverhalt „ermittelt“ worden ist.
Es ist erkennbar, daß die Zeugen, sollten sie sich abgesprochen haben, nicht gut genug vorbereitet waren oder eben wirklich keine dem Klageziel näher bringenden Erinnerungen hatten, um die Fragen des Gerichts zur Testamentserrichtung, bei der die Zeugen ja dabeigewesen sein wolllen, zufriedenstellend beantworten zu können.
Das Gericht hat letztlich nicht nur auf den Inhalt des „Testamentes“ und den Vorgang der Fertigung abgestellt, es hat zahlreiche Details des Randgeschehens abgefragt.
Die Schilderungen der Zeugen zum Ablauf der Testamentserrichtung waren dann so unterschiedlich, daß sie kein nachvollziehbares Gesamtbild der Testamentserrichtung und damit vom tatsächlich noch vorhandenen Willen des Erblassers ergeben haben.
Wenn Zeugen sich schon (angeblich) gut erinnern, gehört dazu auch das Randgeschehen, also etwa „Wer war wann wo?“ oder auch nur der zeitliche Ablauf.
Ein Gericht macht nicht aus sehr unterschiedlichen Zeugenaussagen einen „passenden“ Sachverhalt und konnte hier offensichtlich keine Anhaltspunkte dafür sehen, daß eine Aussage „die Richtige“ war.
Auch der geschilderte zeitliche Ablauf paßte ganz offensichtlich nicht zu dem Umfang des errichteten Testamentes und noch viel weniger waren es Details (Versicherungsnummern etc.), die der Erblasser bei Abfassung des Testamentes „mal eben so“ nicht auswendig gewußt haben dürfte.
Entweder hat jemand gelogen oder die (nicht detailreichen) Erinnerungen waren einfach nur zu unterschiedlich. In der Gesamtschau war das wohl ein bedauerliches (?) Eigentor.
Die Zeugenaussagen, vielleicht gerade, weil es zwei Zeugen waren, waren eher kontraproduktiv für das von der Klägerin verfolgte Ziel.
Vielleicht hätte man vor dem Gang durch zwei Instanzen die Zeugen im Vorfeld selbst genauer befragen müssen und hätte dann Erfolgsaussichten für die Verfahren eher nicht gesehen?
Die Kosten für die Gerichtsverfahren richten sich nach dem sogenannten Streitwert, das ist vorliegend der Nachlaßwert.
Wenn dieser z.B. 50.000 E beträgt, dürfte ein Anwalt -bei Standardgebühren- ca. 10.000 E für die ersten beiden Instanzen kosten. Wer verliert, zahlt den gegnerischen Anwalt zusätzlich, macht also dann insgesamt mindestens 20.000 E plus ca. 4.500 E Gerichtskosten, dann also ca. 25.000 E Gesamtkosten.
Bei weiterer Instanz dürften dann die Gesamtkosten im Unterliegensfall Richtung 38.000 E gehen.
Bei einem Streitwert von z.B. 500.000 E dürften Gesamtkosten für 3 Instanzen sogar gen 133.000 E gehen.
Das sind aber wirklich nur Schätzwerte.
Schade, daß die Streitwerte nicht auch veröffentlicht werden.

Und hier noch ein Auszug aus der Original-Entscheidung:
„Leitsatz

1. Hat ein Erblasser insgesamt fünf Beteiligte „zu unbeschränkten Erben und Vermächtnisnehmern (...) mit formalen Erbanteilen! Eingesetzt, ohne näher zwischen Erben und Vermächtnisnehmern zu differenzieren, ist ohne Angaben zu den Vermögenswerten des Erblassers zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung auch dann nicht von einer Alleinerbenstellung einer Beteiligten auszugehen, wenn diese scheinbar mit dem größten Anteil bedacht werden sollte, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der objektive Wert dieses Anteils das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass betrachtet hat.

2. Liegt statt einer Originalurkunde nur eine Testamentskopie vor, sind an den grundsätzlich möglichen Beweis des Vorliegens einer wirksamen letztwilligen Verfügung strenge Anforderungen zu stellen, wobei Errichtung, Form und Inhalt der Urkunde zur Überzeugung des erkennenden Gerichts so nachzuweisen sind, als hätte ihm die entsprechende Urkunde tatsächlich im Original vorgelegen, was auf Basis von Zeugenaussagen nur möglich ist, wenn die Zeugen das Testament einschließlich der Unterschrift des Erblasser persönlich gesehen und den Testamentsinhalt selbst wahrgenommen haben."

Hier hatte die Klägerin, die 30 % des Nachlasses (dabei anteilig mehr als die anderen Erben) zzgl. Schmuck etc. erhalten sollte, auch noch beantragt, als Alleinerbin anerkannt zu werden, da ihr Anteil wertmäßig der größte Anteil sei.
So ein Ansinnen ist nach diesseitiger Auffassung (1 Sachverhalt = 10 Auffassungen) schon Zeichen einer sehr exklusiven Rechtsauffassung.
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der ersten Instanz ist zu sämtlichen Punkten/beiden Anträgen -sehr deutlich- zurückgewiesen worden.

Zum Schluß:
Wenn der Unterlegene die Kosten des obsiegenden Gegners aus eigenen Mitteln nicht erstatten kann, dann ist dieser möglicherweise zahlungsunfähig und der Gewinner muß zumindest seinen Anwalt dennoch selbst bezahlen. Das wäre für beide Seiten der Supergau.

Im Regelfall übernimmt keine Rechtsschutzversicherung die vollen Kosten für solche Verfahren.
Und wenn man als Kläger dann zwei Instanzen bemüht mit zwei so unterschiedlichen Zeugenaussagen vor dem Hintergrund eines schon grundsätzlich bestehenden Problems bei Nichtauffindbarkeit eines Originals eines Testamentes, dann könnten sich zwischen Anwalt und Partei Diskussionen über die Kostentragung ergeben.

Man muß abwarten, ob nach diesem -in der Begründung sehr vernichtenden- Urteil der BGH entscheiden muß.

Bislang jedenfalls ist es eine Entscheidung mit viel Potential in alle Richtungen.

Die gesamte Entscheidung kann man im Internet finden unter dem Suchbegriff:
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 7. August 2025, 8 W 66/24

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